GmbH-GF/-Gesellschafter-Brief
des Monats Januar 2010
Sehr geehrte Damen und
Herren,
der Ihnen nun vorliegende
Brief möchte Sie über wesentliche vollzogene oder geplante
Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate
informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu
überprüfen.
Bitte lesen Sie im
Einzelnen:
Inhalt
1.
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Wegzugsteuer
für Wertsteigerungen von Beteilig. an KapGes rechtmäßig
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2.
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Berichtigung
von vom Finanzamt übernommenen Fehlern von Stpfl.
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3.
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Eingriff
in den Gewerbebetrieb durch E-Mail
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4.
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BGH
zur Karenzentschädigung eines in der Insolvenz gekündigten GF
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5.
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BGH
zur GmbH-Gesellschafterversammlung
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6.
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Arbeitnehmer
dürfen im Urlaub im Geschäft des Ehegatten aushelfen
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7.
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Anwendung
von § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. auf EU-Auslandsgesellschaften
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8.
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Schadenersatz
wegen Verfügung von Alleingesellschafterin
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9.
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Wettbewerbsverbote
in GmbH-Gesellschaftsverträgen und § 1 GWB
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10.
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Formwirksamkeit
der Beurkundung einer GmbH-Geschäftsanteilsabtretung
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11.
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BGH
erkennt Chapter-11-Verfahren als Insolvenzverfahren an
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12.
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Genügt
"c/o"-Adresse, auch wenn kein eigener Briefkasten
existiert?
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13.
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Haftung
von Bau-Generalunternehmern für Insolvenzgeld
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14.
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OLG
Rostock: Qualifizierte Schriftformklausel verstößt gegen § 307
BGB
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15.
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AdV-Verfahren:
Anordnung einer Sicherheitsleistung
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1. Wegzugsteuer für
Wertsteigerungen von Beteilig. an KapGes rechtmäßig
Kernproblem §
6 AStG wurde durch das SEStEG an europarechtliche Vorgaben angepasst.
Die Neuregelung unterwirft die Wertsteigerungen bei § 17-Anteilen an
KapG im Falle des Wegzugs in einen EU- bzw. EWR-Staat zwar immer noch
einer besonderen Besteuerung. Die Steuer wird aber zinslos und ohne
Sicherheitsleistungen gestundet. Der BFH musste nun einen Fall
beurteilen, bei dem sich ein Steuerpflichtiger auf die
EU-Rechtswidrigkeit der Regelung berief.
Sachverhalt Im
Entscheidungsfall war ein unbeschränkt steuerpflichtiges Ehepaar mit
Anteilen an Kapitalgesellschaften zunächst nach Belgien und
anschließend in die Schweiz verzogen. Zum Zeitpunkt des Wegzugs
(1998) beliefen sich die vom Finanzamt ermittelten Wertsteigerungen
bei den Anteilen auf rd. 34 Mio. EUR, die sodann einer Besteuerung
unterworfen wurden. Einspruch und Klage vor dem FG Düsseldorf waren
erfolglos.
Rechtsfrage Der
BFH musste sich u. a. mit der Frage auseinandersetzen, ob § 6 AStG
in der aktuellen Fassung EU-rechtskonform ist. Dies ergibt sich aus §
21 Abs. 13 AStG, der eine Anwendung der Neuregelung auf alle noch
nicht bestandskräftig gewordenen Steuerfestsetzungen vorsieht. Der
BFH bejaht eine EU-Rechtskonformität. Er verweist hierzu zunächst
darauf, dass der Gesetzgeber die vor der Änderung durch das SEStEG
bestehende Rechtslage korrigiert habe. Darüber hinaus sei es Sache
der betroffenen Staaten - insbesondere des Zuzugsstaates - eine
Doppelbesteuerung durch geeignete Maßnahmen zu beseitigen. Vor
diesem Hintergrund stelle die Wegzugsbesteuerung eine
verhältnismäßige Beschränkung der Grundfreiheiten dar. Im Übrigen
sei die rückwirkende Anwendung der Neuregelung nicht zu beanstanden,
weil das Vertrauen eines Steuerpflichtigen auf eine gegen
Gemeinschaftsrecht verstoßende Regelung keines Schutzes bedürfe.
Konsequenz In
allen noch offenen Fällen wird gegen § 6 AStG kein Verstoß gegen
EU-Recht geltend gemacht werden können.
2. Berichtigung von vom
Finanzamt übernommenen Fehlern von Stpfl.
Kernaussage Eine
die Berichtigung nach den Vorschriften der Abgabenordnung (§ 129 AO)
ermöglichende offenbare Unrichtigkeit kann auch vorliegen, wenn das
Finanzamt eine in der Steuererklärung enthaltene offenbare
Unrichtigkeit des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt. Die
Unrichtigkeit ist offenbar, wenn sie sich ohne weiteres aus der
Steuererklärung, den Anlagen sowie den Akten für das betreffende
Veranlagungsjahr ergibt.
Sachverhalt Die
Klägerin erzielt mit ihrem Handelsbetrieb Einkünfte aus
Gewerbebetrieb. Das beklagte Finanzamt forderte sie auf, ab Januar
1999 von der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zur
Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG überzugehen und eine
Eröffnungsbilanz einzureichen. Die Bilanz zum 1.1.1999 wies einen
Gewinn von rd. 168.115 DM aus, der aus Hinzurechnungen des
Warenbestands resultierte. Die Einkommensteuererklärung der Klägerin
für 1999 wurde in 2001 mit der Anlage GSE eingereicht, die nur einen
Gewinn von 93.220 DM auswies. Dieser entsprach in etwa dem aus dem
Jahresabschluss zum 31.12.1999. Der Beklagte veranlagte die Klägerin
erklärungsgemäß mit bestandskräftigem Bescheid. Die spätere
Betriebsprüfung stellte fest, dass der Übergangsgewinn nicht in
diesem Bescheid erfasst worden war. Der Beklagte erließ einen
Änderungsbescheid und unterwarf den Übergangsgewinn der
Besteuerung. Die hiergegen gerichtete Klage blieb in allem Instanzen
erfolglos.
Entscheidung Die
Berichtigung des Einkommensteuerbescheides für 1999 war rechtmäßig.
Der Übergangsgewinn durfte der Besteuerung unterworfen werden. Nach
§ 129 AO darf die Finanzbehörde Schreib- und Rechenfehler und
ähnliche offenbare Unrichtigkeiten jederzeit innerhalb der
Verjährungsfrist berichtigen. Letztere lag auch hier vor, weil das
beklagte Finanzamt eine in der Steuererklärung enthaltene offenbare
Unrichtigkeit der Klägerin als eigene übernahm. Diese lag in der
nicht berücksichtigten Tatsache, dass ein Übergangsgewinn durch den
Wechsel der Gewinnermittlungsart bei der Klägerin entstanden war und
diese ihn zwar in der Eröffnungsbilanz, nicht aber in ihrer
Einkommensteuererklärung 1999 erklärt hatte. Diese offenbare
Unrichtigkeit hätte der Sachbearbeiter des Beklagten auch unschwer
erkennen können, sie beruhte also nicht auf einer unzureichenden
Sachaufklärung.
3. Eingriff in den
Gewerbebetrieb durch E-Mail
Einführung Unternehmen
erhalten zunehmend Werbe-E-Mails, was angesichts der Vielzahl
regelmäßig als störend empfunden wird. Streitig war, ob bereits
die einmalige Zusendung einer derartigen E-Mail einen
Unterlassungsanspruch gegen den Versender auslöst.
Entscheidung Die
Klägerin erhielt von der Beklagten eine E-Mail in Form eines
Newsletters mit Informationen für Kapitalanleger. Da die Beklagte
sich weigerte, eine Unterlassungserklärung abzugeben und lediglich
erklärte, von einer weiteren Zusendung abzusehen, erhob die Klägerin
Klage auf Unterlassung. Aufgrund der Auflösung der Klägerin während
des Revisionsverfahrens erklärten die Parteien die Hauptsache für
erledigt, so dass nur noch über die Kosten zu entscheiden war. Der
BGH hat der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Angesichts des mutmaßlichen Ausgangs des Verfahrens zu Lasten der
Beklagten habe diese auch die Kosten zu tragen. Es bestehe ein
Unterlassungsanspruch aufgrund eines Eingriffes in das Recht am
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Die Zusendung ohne
vorherige Einwilligung des Empfängers stelle einen unmittelbaren
Eingriff in den Gewerbebetrieb dar. Denn unverlangt zugesandte
E-Mail-Werbung beeinträchtige regelmäßig den Betriebsablauf. Mit
dem Sichten und Aussortieren unerbetener E-Mails sei ein zusätzlicher
Arbeitsaufwand verbunden. Zudem könnten, soweit kein festes Entgelt
vereinbart sei, zusätzliche Kosten für die Herstellung der
Online-Verbindung und die Übermittlung der E-Mail durch den Provider
anfallen. Die Zusatzkosten für eine einzelne E-Mail könnten zwar
gering sein. Anders falle die Beurteilung aber aus, wenn es sich um
eine größere Zahl unerbetener E-Mails handle oder wenn der
Empfänger der E-Mail ausdrücklich dem weiteren Erhalt von E-Mails
widersprechen müsse. Mit der häufigen Übermittlung von
Werbe-E-Mails ohne vorherige Einwilligung des Empfängers durch
verschiedene Absender sei aber immer dann zu rechnen, wenn die
Übermittlung einzelner E-Mails zulässig sei. Denn im Hinblick auf
die billige, schnelle und durch Automatisierung arbeitssparende
Versendungsmöglichkeit sei ohne Einschränkung der E-Mail-Werbung
mit einem immer weiteren Umsichgreifen dieser Werbeart zu rechnen.
Konsequenz Zur
Vermeidung von rechtlichen Schritten, insbesondere von Abmahnkosten,
sollten Versender von Werbe-E-Mails unbedingt sicherstellen, dass von
jedem gewerblichen Empfänger eine Einwilligung hierzu vorliegt.
4. BGH zur
Karenzentschädigung eines in der Insolvenz gekündigten GF
Kernaussage Kündigt
der Insolvenzverwalter den Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers
der GmbH (Schuldnerin), ohne dass beiderseits weitere Erklärungen
abgegeben wurden, so ist der Anspruch des gekündigten
Geschäftsführers auf Karenzentschädigung aus einem vertraglichen
Wettbewerbsverbot keine Masseschuld.
Entscheidung Die
Kündigung eines Dienstverhältnisses (§ 113 InsO) schließt eine
Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters (§ 103 InsO) für eine
dadurch ausgelöste Wettbewerbsabrede nicht aus. Auch die herrschende
Ansicht in der Literatur geht davon aus, dass in der eröffneten
Insolvenz das Erfüllungswahlrecht auch für vertragliche
Wettbewerbsverbote nach dem Ausscheiden eines Dienstnehmers neben der
Möglichkeit zum Verzicht auf das Wettbewerbsverbot (§ 75 a HGB)
steht. Im Verzichtsfalle wird er von der Verpflichtung zur Zahlung
einer Entschädigung frei. Das Risiko, Erfüllungsansprüche auf
Karenzentschädigung nicht gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO gegen die
Masse durchsetzen zu können, trifft den gekündigten Dienstnehmer
wie jeden Vertragspartner des Schuldners. Die Vorschriften des HGB
(§§ 75, 75 a HGB) verdrängen die Bestimmung des § 103 InsO nicht.
Der Insolvenzverwalter müsste sonst stets vor Kündigung eines
Anstellungsvertrages und mit Entschädigungspflicht für die Masse
auf das Wettbewerbsverbot verzichten, wenn an der Vertragserfüllung
kein Interesse besteht. Die Masse stünde dann schlechter als wenn
ein Verzicht des Dienstherren auf die Wettbewerbsabrede
ausgeschlossen wäre.
Konsequenz Die
Kündigung des Dienstvertrages begründet nicht erst die umstrittene
Wettbewerbsabrede, mit der Folge, dass die verlangte Entschädigung
als Masseschuld zu behandeln wäre. Der Anspruch wurzelt vielmehr in
dem Anstellungsvertrag zwischen der GmbH (Schuldnerin) und dem
klagenden Geschäftsführer.
5. BGH zur
GmbH-Gesellschafterversammlung
1. Kernaussage Der
Versammlungsleiter einer GmbH-Gesellschafterversammlung kann von der
Mehrheit der Gesellschafter bestimmt werden.
2. Kernaussage Ein
Gesellschafter hat keinen Anspruch darauf, dass über die Abberufung
des Gesellschafter-Geschäftsführers und den Widerruf der Prokura
eines anderen Gesellschafters in einem Abstimmungsgang abgestimmt
wird. Auf den Versuch eines Gesellschafters, durch die
Zusammenfassung der Beschlussanträge die übrigen Gesellschafter von
der Abstimmung auszuschließen und so die Mehrheit zu seinen Gunsten
zu manipulieren, müssen sich weder die Mitgesellschafter noch der
Versammlungsleiter einlassen.
3. Kernaussage Ein
Stimmverbot wegen einer gemeinsam begangenen Pflichtverletzung
besteht nicht, wenn einer vorsätzlich begangenen Verfehlung eines
Gesellschafter-Geschäftsführers (Kompetenzüberschreitung) mit
einem Aufsichtsversäumnis des anderen Gesellschafters eine
andersartige Pflichtverletzung gegenübersteht.
4. Kernaussage Die
Befangenheit des Gesellschafters einer GmbH-Gesellschafterin (§ 47
Abs. 4 GmbHG) führt zu einem Stimmverbot der GmbH-Gesellschafterin,
wenn er einen maßgebenden Einfluss bei der Gesellschafterin ausübt.
Bei der Bestimmung des maßgebenden Einflusses sind die Anteile
mehrerer Gesellschafter-Gesellschafter dann zusammenzurechnen, wenn
sie wegen einer gemeinsam begangenen Pflichtverletzung befangen sind.
Ein maßgebender Einfluss besteht dann nicht, wenn der betreffende
Gesellschafter keine Stimmenmehrheit hat. Auch die Leitungsmacht, die
ein Gesellschafter als alleiniger Geschäftsführer innehat,
begründet einen solchen Einfluss nicht, sofern er kein Sonderrecht
hat.
5. Kernaussage Wenn
das Ergebnis der Abstimmung in einer GmbH-Gesellschafterversammlung
nicht durch einen Versammlungsleiter festgestellt ist, kann ein
Gesellschafter durch Erhebung einer Feststellungsklage klären, ob
und mit welchem Inhalt ein Beschluss gefasst worden ist.
6. Kernaussage Die
Entscheidung über die Entlastung des Geschäftsführers einer GmbH
ist treuwidrig, wenn sie zu einem Zeitpunkt erzwungen wird, zu dem
die Gesellschafter zwar von der Pflichtverletzung erfahren haben,
aber noch nicht in der Lage sind zu beurteilen, ob der GmbH ein
Schaden zugefügt wurde, und sie nur dazu dient, den Geschäftsführer
der Verantwortung für sein Verhalten zu entziehen und eine weitere
Untersuchung zu verhindern.
6. Arbeitnehmer dürfen
im Urlaub im Geschäft des Ehegatten aushelfen
Kernfrage/Rechtslage Das
Bundesurlaubsgesetz sieht vor, dass der Urlaub des Arbeitnehmers
seiner Erholung dient. Entsprechend enthält das Gesetz das Verbot
einer dem Urlaubszweck widersprechenden Erwerbstätigkeit. Das
Landesarbeitsgericht Köln hatte nunmehr darüber zu befinden, ob
damit jede Art der Tätigkeit (hier: Mithilfe im Familienbetrieb)
verboten ist.
Entscheidung Die
Klägerin half ihrem Ehemann, der Keramik auf einem Weihnachtsmarkt
verkaufte, nach einer Erkrankung im Rahmen ihres vorab genehmigten
Urlaubs mit Verkaufstätigkeiten auf dem Weihnachtsmarkt. Der
Arbeitgeber war der Auffassung, dass diese Tätigkeit während des
Urlaubs dem Erholungszweck zuwiderlaufe und damit unzulässig sei,
weil sie zudem das Risiko einer Erkrankung erhöhe. Trotz
entsprechender Abmahnungen setzte die Klägerin ihre Tätigkeit fort.
Daraufhin kündigte der Arbeitgeber und unterlag zuletzt vor dem
Landesarbeitsgericht. Es liege kein Verstoß gegen die Regelungen des
Bundesurlaubsgesetzes vor. Nach Auffassung des Gerichts verbiete die
Vorschrift nicht etwa alles, was der Erholung abträglich sein
könnte. Arbeitnehmern sei es lediglich untersagt, die bezahlte
Freizeit zu nutzen, um die Einnahmen aus ihrer Arbeitskraft durch
Eingehung eines weiteren Erwerbsverhältnisses in doppelter Weise
auszunutzen. Eine unentgeltliche Mithilfe im Familienbetrieb stelle
aber keinen Verstoß dar. Dies gelte auch dann, wenn die Klägerin
eine Vergütung erhalten haben sollte. Zulässig sei ein Ausnutzen
der Arbeitskraft bis zur Höchstgrenze der erlaubten Arbeitszeit von
48 Stunden in der Woche, mithin für die Klägerin noch 11 Stunden
über ihre 37-Stunden-Woche hinaus.
7. Anwendung von § 64
Abs. 2 GmbHG a. F. auf EU-Auslandsgesellschaften
Kernaussage §
64 Abs. 2 GmbHG in der bis zum 31.10.2008 geltenden Fassung normiert
die Ersatzpflicht von Geschäftsführern für Zahlungen, die nach dem
Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der GmbH oder nach Feststellung
ihrer Überschuldung geleistet werden. Die Regelung ist auf
Gesellschaften, die nach dem Recht eines anderen EU-Mitgliedstaates
gegründet wurden und im Inland eine Zweigniederlassung unterhalten,
anwendbar. Die Vorschrift ist als dem Insolvenzrecht zugehörig zu
qualifizieren.
Sachverhalt Der
Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Ltd.
(Schuldnerin), die formal in London ansässig ist und eine im
Handelsregister eingetragene Zweigniederlassung in Berlin hat. Er
macht Ansprüche wegen Barabhebungen vom Konto der Schuldnerin
geltend. Die Beklagten sind der Director einer weiteren Ltd., die
wiederum Director der Schuldnerin ist, und der ständige Vertreter
der Schuldnerin. Als von deren Geschäftskonto erhebliche
Barabhebungen getätigt wurden, war die Schuldnerin bereits
zahlungsunfähig. Das LG hat der Klage stattgegeben und die Beklagten
als Gesamtschuldner verurteilt; es begründete dies mit einer Haftung
wegen existenzvernichtenden Eingriffs nach § 826 BGB. Das OLG
bestätigte die Entscheidung, stützt den Anspruch des Klägers
jedoch auf § 64 Abs. 2 GmbHG a. F.
Entscheidung Die
Bestimmung des § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. war anwendbar, weil das
Insolvenzverfahren in Deutschland eröffnet worden war. Die
Vorschrift ist als Insolvenzrecht zu qualifizieren, obwohl sie -
historisch bedingt - im GmbHG angesiedelt ist. Im Insolvenzfall soll
das Leitungsorgan der GmbH in die Pflicht genommen werden, bei
Meidung eigener Ersatzpflicht das Vermögen der GmbH zu sichern,
damit es nach Verfahrenseröffnung ungeschmälert zur
Gläubigerbefriedigung zur Verfügung steht. Die Vorschrift ist auch
mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV) vereinbar, sie
stellt keine Voraussetzung für die Errichtung einer
Zweigniederlassung in Deutschland auf, sondern knüpft lediglich
bestimmte Rechtsfolgen an ein bestimmtes Organverhalten, während die
Gesellschaft in Deutschland niedergelassen ist. § 64 Abs. 2 GmbHG a.
F. ist auf deutsche Gesellschaften ebenso anwendbar wie auf in
anderen Mitgliedstaaten gegründete und berührt diese weder
rechtlich noch tatsächlich in unterschiedlicher Weise. Die
Anspruchsvoraussetzungen waren hier erfüllt, weil die Schuldnerin
Zahlungen geleistet hatte, obwohl sie unstreitig zahlungsunfähig
war.
8. Schadenersatz wegen
Verfügung von Alleingesellschafterin
Kernaussage Eine
Verfügung eines Alleingesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH
über das Vermögen der GmbH kann nur dann eine Schadensersatzpflicht
nach § 43 Abs. 2 GmbHG auslösen, wenn der Geschäftsführer damit
gegen ein Verbot verstößt, das - wie § 30 oder 64 GmbHG - durch
eine Weisung der Gesellschafterversammlung nicht außer Kraft gesetzt
werden kann. Ein Verzicht durch Vertrag zugunsten Dritter ist nicht
möglich.
Sachverhalt Der
Beklagte, Alleingesellschafter und -geschäftsführer der klagenden
GmbH, verkaufte seinen Geschäftsanteil mit Wirkung zum 2.1.2006 an
einen Dritten. Ferner verkaufte er diesem am 28.10.2005 unter dem
Datum 26.10.2005 für 75.000 EUR einen Anspruch auf Rückzahlung
eines Gesellschafterdarlehens und trat die Forderung unter der
aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung - ebenfalls fällig am
2.1.2006 - an ihn ab. In dem Vertrag hieß es: "Der Veräußerer
hat der GmbH ein Darlehen gewährt, das mit Stichtag 26.10.2005 i. H.
v. 200.000 EUR valutiert". Tatsächlich valutierte es zu mehr
als 240.000 EUR. Der Beklagte hatte eine Überweisung von 40.000 EUR
an sich veranlasst, die als Verwendungszweck die Angabe "Rückführung
Gesellschafterdarlehen" enthielt. Die Klägerin verlangt die
Rückzahlung der 40.000 EUR. Das LG wies die Klage ab, das KG gab ihr
statt. Der BGH stellte das erstinstanzliche Urteil wieder her.
Entscheidung Ein
Schadensersatzanspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG schied aus, weil der
Beklagte im Zeitpunkt der Veranlassung der Überweisung
Alleingesellschafter der Klägerin war. Eine Pflichtverletzung ist zu
verneinen, wenn die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer
zu dem später beanstandeten Verhalten anweist. Soweit dieser dadurch
nicht gegen gesetzliche Pflichten (z. B. §§ 30, 64 GmbHG) verstößt,
muss er die Weisung befolgen und ist nicht haftbar. Dies gilt erst
recht, wenn die GmbH nur einen Gesellschafter hat. Auch ein Anspruch
aus ungerechtfertigter Bereicherung schied aus, weil die Zahlung an
den Beklagten wegen des wirksamen Darlehensvertrages nicht ohne
Rechtsgrund erfolgte. Auf den Rückzahlungsanspruch hat der Beklagte
auch nicht verzichtet. Mangels Erlassvertrages wäre nur ein Verzicht
durch Vertrag zugunsten Dritter in Betracht gekommen, was aber nach
der Rechtsprechung des BGH nicht möglich ist. Anhaltspunkte für
eine Verpflichtung des Beklagten, den Rückzahlungsanspruch gegen die
Klägerin nicht geltend zu machen, bestanden ebenfalls keine.
9. Wettbewerbsverbote in
GmbH-Gesellschaftsverträgen und § 1 GWB
Einführung In
GmbH-Gesellschaftsverträgen wird oftmals ein Wettbewerbsverbot zu
Lasten der Gesellschafter vereinbart. Wird ein Gesellschafter
gleichwohl auf demselben Markt tätig, wendet dieser regelmäßig
ein, ein solches Verbot sei unwirksam. In diesem Zusammenhang war
streitig, ob derart wettbewerbsbeschränkende Satzungsbestandteile
mit einer kartellrechtlichen Vorschrift (§ 1 GWB) vereinbar sind.
Entscheidung Die
Klägerin gründete zusammen mit einem Verlagskaufmann und einem
weiteren Gesellschafter die beklagte GmbH. Die Klägerin und der
weitere Gesellschafter geben Tageszeitungen heraus. Die Beklagte
verteilte im gleichen Gebiet Anzeigenblätter. Im
Gesellschaftsvertrag der Beklagten war bestimmt, dass
Grundsatzentscheidungen einen einstimmigen Beschluss der
Gesellschafterversammlung bedurften. Zu Lasten der Gesellschafter war
ein Wettbewerbsverbot vereinbart. Zwischen der Klägerin und den
anderen Gesellschaftern bestand Streit, weil die Klägerin über eine
Tochtergesellschaft eine Gratiszeitung herausgab. Die
Mitgesellschafter sahen darin einen Verstoß gegen das satzungsmäßige
Wettbewerbsverbot und beschlossen die Einziehung des Geschäftsanteils
der Klägerin. Hiergegen wandte sich die Klägerin. Das
Oberlandesgericht gab der Klage statt mit der Begründung, es läge
keine Pflichtverletzung aus dem Gesellschaftsvertrag vor, weil das
Wettbewerbsverbot gegen § 1 GWB verstieße und damit nichtig sei.
Dieser Annahme ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt.
Wettbewerbsbeschränkende Satzungsbestandteile würden nicht von § 1
GWB erfasst, wenn sie notwendig seien, um das im Übrigen
kartellrechtsneutrale Gesellschaftsunternehmen in seinem Bestand und
seiner Funktionsfähigkeit zu erhalten und davor zu schützen, dass
ein Gesellschafter es von innen her aushöhle oder gar zerstöre und
damit einen leistungsfähigen Wettbewerb zugunsten seiner eigenen
Konkurrenztätigkeit ausschalte. Entscheidend für die Anwendung des
§ 1 GWB sei eine Gesamtwürdigung aller für das konkrete
Gesellschaftsverhältnis wirksamen Umstände. Dabei komme es
insbesondere darauf an, ob der Gesellschafter in der Lage sei,
strategisch wichtige Entscheidungen zu blockieren. Dieses sei
vorliegend aufgrund des Einstimmigkeitserfordernisses für
strategische Unternehmensentscheidungen der Fall. Mit dem
Wettbewerbsverbot werde nicht der freie Wettbewerb eingeschränkt,
sondern geschützt.
Konsequenz Gesellschaftsverträge
sollten auch hinsichtlich der Fragestellungen im Zusammenhang mit dem
Wettbewerbsverbot mit anwaltlicher Hilfe erstellt und anschließend
regelmäßig überprüft werden.
10. Formwirksamkeit der
Beurkundung einer GmbH-Geschäftsanteilsabtretung
Kernaussage Nach
der aktuellen Fassung des § 40 Abs. 2 GmbHG ist es möglich, dass
Beurkundungen durch einen Schweizer Notar nicht mehr als gleichwertig
und wirksam anerkannt werden, da er mangels Amtsbefugnis nicht die
Abtretung eines Geschäftsanteils beim Handelsregister anzeigen kann.
Sachverhalt Die
Beklagte ließ ihren GmbH-Geschäftsanteil von 25.000 EUR in einer
Urkunde eines Schweizer Notars in zwei gleiche Anteile teilen. Einen
Anteil verkaufte sie und trat ihn an die Klägerin unter der
aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung ab. Weil dieser nicht
gezahlt wurde, vereinbarten die Parteien privatschriftlich in Zürich,
die aufschiebende Bedingung aufzuheben und den verkauften GmbH-Anteil
an die Beklagte zu verpfänden. Weil die Klägerin den Kaufpreis nach
wie vor schuldete, wollte die Beklagte das Pfandrecht an dem Anteil
verwerten. Die Klägerin ist der Ansicht, sowohl der Kauf- und
Übertragungsvertrag als auch die Pfandrechtsvereinbarung seien
formunwirksam. Die Feststellungsklage hatte Erfolg.
Entscheidung Der
Beklagten steht mangels formunwirksamer Bestellung kein Pfandrecht an
dem verkauften GmbH-Anteil zu. Der notariell beurkundete Kauf- und
Übertragungsvertrag ist zwar wirksam. Die Auslandsbeurkundung war
nicht zu beanstanden, da Urkundsperson und Urkundsverfahren dem
deutschen Recht gleichwertig waren. Allerdings sprach das LG in einem
obiter dictum aus, dass "unter Geltung der aktuellen Fassung des
§ 40 Abs. 2 GmbHG eine andere Einschätzung wahrscheinlich ist".
Die vereinbarte Bedingung war hier nicht durch den
privatschriftlichen Verpfändungsvertag aufgehoben worden, denn die
Vereinbarung war formunwirksam. Der Wegfall der Bedingung führte
unmittelbar zur Abtretung des GmbH-Anteils und war daher
formbedürftig. Zudem verlangt das Gesetz für die Bestellung eines
Pfandrechts an einem Recht dieselbe Form wie für dessen Übertragung.
Konsequenz Ob
eine Anteilsübertragung in der Schweiz nach Inkrafttreten des MoMiG
zulässig ist, ist offen. Bis zu einer Klärung durch die deutschen
Obergerichte kann dies nicht empfohlen werden.
11. BGH erkennt
Chapter-11-Verfahren als Insolvenzverfahren an
Kernaussage Das
durch einen Antrag des Schuldners eingeleitete Verfahren nach Chapter
11 des US-amerikanischen Bankruptcy Code wird als Eröffnung eines
ausländischen Insolvenzverfahrens anerkannt. Die Einleitung des
Verfahrens bewirkt die Unterbrechung des
Nichtigkeitsberufungsverfahrens. Betrifft die Insolvenz das Vermögen
des Nichtigkeitsbeklagten, kann der Nichtigkeitskläger das
Berufungsverfahren jedenfalls nicht aufnehmen, bevor er bei den
zuständigen amerikanischen Gerichten um eine Aufhebung der
Unterbrechung (relief from the stay) nachgesucht hat.
Sachverhalt Die
Beklagte, ein US-amerikanisches Unternehmen, ist eingetragene
Inhaberin eines 1995 angemeldeten, auch für Deutschland erteilten
europäischen Patents. Die Klägerin wird aus dem Streitpatent in
Anspruch genommen und wurde erstinstanzlich unter Feststellung ihrer
Schadensersatzpflicht zur Unterlassung und Auskunftserteilung
verurteilt. Die Berufung blieb erfolglos. Mit der erfolgreichen
Nichtigkeitsklage griff die Klägerin das Streitpatent vollumfänglich
an; während des von der Beklagten angestrengten Berufungsverfahrens
hat diese sich an den US Bankruptcy Court gewandt, um in das
Verfahren nach Chapter 11 des Bankruptcy Code einzutreten. Die
Beklagte meint, das Berufungsverfahren sei damit unterbrochen.
Entscheidung Das
Nichtigkeitsberufungsverfahren war durch den Antrag nach Chapter 11
unterbrochen. Nach § 352 InsO wird durch die Eröffnung des
ausländischen Insolvenzverfahrens ein im Inland anhängiger
Rechtsstreit unterbrochen, der zur Zeit der Eröffnung anhängig ist
und die Insolvenzmasse betrifft. Die Anerkennung der Eröffnung des
ausländischen Insolvenzverfahrens ist zu versagen, wenn die Gerichte
des Staates der Verfahrenseröffnung nach deutschem Recht nicht
zuständig sind oder ein Verstoß gegen den deutschen ordre public
vorliegt. Das von der Beklagten eingeleitete Verfahren nach Chapter
11 ist ein Insolvenzverfahren i. S. d. InsO, denn es entspricht ihrer
Zielsetzung. Das Ziel der Befriedigung der Gläubiger wird nämlich
auch dadurch verfolgt, dass in einem Insolvenzplan Regelungen zum
Erhalt des Unternehmens getroffen werden. Das deutsche
Insolvenzplanverfahren ist dem amerikanischen Chapter-11-Verfahren
nachgebildet. Auch die Besonderheiten des Verfahrens - wie etwa kein
Nachweis eines Insolvenzeröffnungsgrundes oder die nur ausnahmsweise
Ernennung eines Verwalters - rechtfertigen nicht die Verneinung der
Einordnung als Insolvenzverfahren.
12. Genügt
"c/o"-Adresse, auch wenn kein eigener Briefkasten
existiert?
Kernaussage Bei
der Prüfung, ob die von einer Gesellschaft angemeldete inländische
Geschäftsadresse den gesetzlichen Anforderungen genügt (§§ 8 Abs.
4 Nr. 1 GmbHG), steht einer Bejahung jedenfalls nicht grundsätzlich
der auf einen Dritten hinweisende Zusatz "c/o" entgegen.
Sachverhalt Die
Gesellschafterversammlung der betroffenen Gesellschaft beschloss in
2008 deren Auflösung und bestellte eine Liquidatorin. Diese meldete
eine neue Geschäftsanschrift zur Eintragung ins Handelsregister an,
die lautete: "c/o Kliniken S GmbH". Von außen erkennbare
Hinweise auf die betroffene Gesellschaft waren an Grundstück und
Gebäuden nicht zu finden. Das Registergericht beanstandete die
Anmeldung mit der Begründung, dass die Geschäftsanschrift nicht den
Zusatz "c/o" enthalten dürfe. Erst die weitere Beschwerde
der Gesellschaft hatte Erfolg.
Entscheidung Die
Pflicht zur Anmeldung der Geschäftsadresse dient dem
Gläubigerschutz. Die Gläubiger sollen dem Handelsregister eine
Anschrift entnehmen können, unter der zuverlässig wirksame
Zustellungen an die Gesellschaft erfolgen. Dies setzt voraus, dass an
dem bezeichneten Ort Zustellungen möglich sind, etwa weil sich dort
ihr Geschäftsraum befindet oder ein gesetzlicher Vertreter oder
Zustellungsbevollmächtigter dort wohnt. Die Anschrift muss richtig
und so gefasst sein, dass der Zustellungsort aufzufinden ist; dies
wird durch die Bezeichnung der Gemeinde, Straße und Hausnummer
erreicht. In die Anschrift kann auch der Zusatz "c/o"
aufgenommen werden. Die Abkürzung hat im Deutschen die Bedeutung
"bei" oder "im Hause". Sie verdunkelt den
Zustellungsort nicht, sondern enthält eine zusätzliche
Beschreibung, die das Auffinden der betroffenen Gesellschaft
erleichtert.
Anforderungen des
UStG Gemäß R 185 UStR muss demgegenüber in einer Rechnung,
die unter Nennung nur des Namens des Leistungsempfängers mit "c/o"
an einen Dritten adressiert ist, die Identität des
Leistungsempfängers leicht und eindeutig feststellbar sein. Die
Anschrift des Dritten gilt in diesen Fällen nicht als betriebliche
Anschrift des Leistungsempfängers, wenn dieser unter der Anschrift
des Dritten nicht gleichzeitig über eine Zweigniederlassung, eine
Betriebsstätte oder einen Betriebsteil verfügt. Allein aus diesen
Gründen kann eine c/o-Anschrift auf Rechnungen nicht empfohlen
werden.
13. Haftung von
Bau-Generalunternehmern für Insolvenzgeld
Kernfrage/Rechtslage Das
Arbeitnehmerentsendegesetz sieht eine Bürgenhaftung des
(Haupt)Unternehmers in der Baubranche im Hinblick auf den Mindestlohn
der Arbeitnehmer der von ihm eingesetzten Nachunternehmer vor. Diese
gesetzliche Bürgenhaftung gilt auch bei Insolvenz des
Nachunternehmers. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte
nunmehr darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang diese
Bürgenhaftung auch für an die Arbeitnehmer des Nachunternehmers
gezahltes Insolvenzgeld gilt.
Entscheidung Einer
der Nachunternehmer der beklagten Bau-Generalunternehmerin (= GU)
meldete Insolvenz an. Die auf den Baustellen der GU eingesetzten
Arbeitnehmer des Nachunternehmers beantragten bei der Bundesagentur
Insolvenzgeld. Die Bundesagentur nahm die GU im Anschluss auf
Erstattung des an die Arbeitnehmer gezahlten Insolvenzgelds in Höhe
des Netto-Mindestlohns von rund 18.300 EUR in Anspruch und gewann vor
dem Landesarbeitsgericht. Der Erstattungsanspruch der Bundesagentur
bestehe aufgrund der gesetzlichen Bürgenhaftung der GU, die auf die
Zahlung des Mindestlohnes gerichtet sei. Wird der Nachunternehmer
zahlungsunfähig und erhalten seine Arbeitnehmer daher Insolvenzgeld,
so gehen deren Mindestlohnansprüche, die die GU verbürgt, auf die
Bundesagentur über. Dabei muss die Bundesagentur im Rahmen der
Inanspruchnahme des Bürgen auch nicht die tarifvertraglichen
Ausschlussfristen beachten.
Konsequenz Mit
der Entscheidung wird die Haftung des Generalunternehmers
ausgeweitet. Letztlich trägt er auch im Hinblick auf
Sozialleistungen, die dem Unternehmen des Nachunternehmers zugute
kommen, das volle Insolvenzrisiko. Ob sich der Generalunternehmer
hiergegen absichern kann, ist zweifelhaft. Die Revision ist
zugelassen, das Urteil somit noch nicht rechtskräftig.
14. OLG Rostock:
Qualifizierte Schriftformklausel verstößt gegen § 307 BGB
Kernfrage/Rechtslage So
genannte doppelte Schriftformklauseln sollen sicherstellen, dass
mündliche Vereinbarungen im Rahmen eines Vertragsverhältnisses
nicht wirksam werden können. Denn eine einfache Schriftformklausel,
also die Regelung, wonach "Änderungen und Ergänzungen"
schriftlich vereinbart werden müssen, kann mündlich aufgehoben
werden. Klassisches Beispiel ist die sog. betriebliche Übung im
Arbeitsrecht, durch die der Arbeitnehmer wegen der bloßen
wiederholten Leistung des Arbeitgebers einen Anspruch erwirbt, obwohl
dadurch der Arbeitsvertrag geändert wird. Dieser Anspruch entfällt
nicht, weil die Parteien des Arbeitsvertrages eine einfache
Schriftformklausel vereinbart haben.
Entscheidung Die
Parteien stritten über die Wirksamkeit einer nur mündlich
geschlossenen Aufhebungsvereinbarung über ein
Gewerbe-Mietverhältnis. Der zwischen den Parteien geschlossene
Mietvertrag über Gewerberäume enthielt eine Regelung, wonach
"Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages" der
Schriftform bedürfen. Darüber hinaus sollte auch die Aufhebung der
Schriftformklausel der Schriftform bedürfen. Das OLG Rostock
entschied zugunsten desjenigen, der sich auf die mündliche
Aufhebungsvereinbarung berief, weil es die doppelte
Schriftformklausel des Mietvertrages als unwirksam erachtete. Sie
verstoße als überraschende Klausel gegen die gesetzlichen
Regelungen zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Eine
Schriftformklausel, die nicht nur für Vertragsänderungen die
Schriftform vorschreibt, sondern auch Änderungen der
Schriftformklausel ihrerseits der Schriftform unterstellt, erwecke
den Eindruck, als könne sie nicht durch eine die Schriftform nicht
wahrende Vereinbarung abbedungen werden. Sie käme dann einer
konstitutiven Schriftformklausel gleich und verstoße damit gegen den
Grundsatz des Vorrangs einer Individualvereinbarung.
Konsequenz Die
Entscheidung liegt auf einer Linie mit bereits bestehenden Urteilen
zur Unwirksamkeit von doppelten Schriftformklauseln. Wenn eine solche
Klausel in einem Formularvertrag (mehr als zweimalige Verwendung des
Vertrages) enthalten ist und damit den Regelungen der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen unterliegt, dann ist sie unwirksam. Wirksam ist
sie nur, wenn sie einer individuellen Vereinbarung der Parteien
entspricht. Dies wird man aber bei Vertragsschluss so ausdrücklich
festhalten und dokumentieren müssen.
15. AdV-Verfahren:
Anordnung einer Sicherheitsleistung
Kernaussage Wird
die Aussetzung der Vollziehung einer Steuerfestsetzung von einer
Sicherheitsleistung abhängig gemacht, muss diese wirtschaftlich
zumutbar sein.
Sachverhalt Die
mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene
Verfassungsbeschwerde betrifft ein Verfahren der
Umsatzsteuerfestsetzung. Streitig war, ob das Finanzgericht im
einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Aussetzung der Vollziehung (§
69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 3 FGO) von einer
Sicherheitsleistung abhängig machen durfte. Die
umsatzsteuerpflichtige Beschwerdeführerin, eine GmbH, rügte mit
ihrer Verfassungsbeschwerde, dass einem Steuerpflichtigen, dessen
wirtschaftlichen Verhältnisse eine Sicherheitsleistung nicht
zuließen, der Rechtsvorteil der Aussetzung trotz ernstlicher Zweifel
an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides grundsätzlich nicht
versagt werden dürfe.
Entscheidung Das
Bundesverfassungsgericht entschied, dass das FG die Anordnung der
Sicherheitsleistung verfassungsrechtlich nicht tragfähig begründet
hatte. Unter Verkennung der Garantie effektiven Rechtsschutzes
(Artikel 19 Abs. 4 GG) hatte sich das FG lediglich auf abstrakte
Erwägungen zurückgezogen. Es vertrat die Ansicht, dass von einer
Sicherheitsleistung dann nicht abzusehen sei, wenn es um
Steuerforderungen gehe, die laufend entstünden, weil das
steuerpflichtige Unternehmen dann laufend Erlöse zurückhalten und
diese als Sicherheitsleistung zur Verfügung stellen könne. Es führt
indes zu einer unzumutbaren Beschränkung des Rechtsschutzes, wenn
das FG annimmt, die Sicherheitsleistung sei stets aus den laufend
vereinnahmten Umsatzsteuerbeträgen zu erbringen. Dass in Fällen
einer aus laufend vereinnahmten Steuern resultierenden Steuerschuld
die Leistung einer Sicherheit nie zu einer unbilligen Härte führen
kann, war nicht erkennbar. Das FG hatte sich nicht mit dem Umstand
auseinandergesetzt, dass ein Unternehmer die laufend und künftig
vereinnahmte Umsatzsteuer schon deshalb nicht als Sicherheitsleistung
für alte Steuerschulden nutzbar machen kann, weil er diese Gelder
als Steuern abführen muss.
Konsequenz Bei
der Entscheidung über eine Sicherheitsleistung sind stets die
individuellen Umstände des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen.
Die pauschale Entscheidung, bei fortlaufend veranlagten und
festgesetzten Steuern (LSt, USt) unabhängig von den wirtschaftlichen
Verhältnissen in der Regel nicht von einer Sicherheitsleistung
abzusehen, beschränkt den Rechtsschutz der Steuerpflichtigen
unzumutbar.
Für Rückfragen stehen
wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Gißewski
Steuerberater
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